Otto Frei: ein brillanter Erzähler und Förderer des schweizerischen Zusammenhalts

Otto Frei kam am 15.März 1924 als Sohn eines Kaufmanns in Steckborn (TG) zur Welt, besuchte das Gymnasium in Frauenfeld und studierte in Basel, Paris und Zürich Germanistik und Geschichte. 1949 promovierte er mit einer Arbeit über Thomas Bornhauser zum Dr. phil. Er war ein passionierter, hoch angesehener Journalist und Korrespondent und war von 1951 bis 1966 Auslandskorrespondent für die «Neue Zürcher Zeitung» in Berlin und Rom und von 1966 bis 1989 Welschlandredaktor dieses Blattes in Bursinel VD. Im Zentrum seines Erzählens, das sich mit autobiographischer Fragestellung ganz bewusst vom journalistischen Metier abhebt, steht das Bodenseestädtchen Steckborn, wo Frei 14 Jahre seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Diese Welt im Kleinen, geprägt durch eine Reihe liebevoll und scharf charakterisierter Käuze und Originale, bildet bereits Thema und Schauplatz der Erzählung «Jugend am Ufer», mit der Frei als 49jähriger 1973 literarisch debütierte. Bei allem Humor und Sinn für das Gemüthafte vermeidet Frei jedoch jedes blosse Idyllisieren. Zum einen steht der Schilderung der kleinstädtischen Kindheit in der Bedrohung durch das faschistische Deutschland unentwegt ein düsterer Kontrapunkt gegenüber; zum andern bewahrt ihn sein Sprachstil, der durch kurze, lapidare, oftmals dialekt-gefärbte, sinnlich bildhafte Sätze und durch einen raschen, flüssigen Erzählduktus gekennzeichnet ist, vor Sentimentalität und. Beschaulichkeit. In den Bänden «Beim Wirt zum Scharfen Eck» (1976), «Zu Vaters Zeit» (1978), «Bis sich Nacht in die Augen senkt» (1982) und «Rebell» (1987) erweiterte er das Bild und die Figurenwelt seines Heimatdorfes zu einem eigentlichen Steckborner Zyklus. Immer stärker treten dabei thematisch der Tod, das Sterbenmüssen, die Vergänglichkeit in den Vordergrund und erreichen in «Bis sich Nacht in die Augen senkt» eine erschütternde existentielle Dimension. Eine stetige Steigerung und Intensivierung erfährt auch die zentrale Problemstellung von Freis Schaffen: die Auseinandersetzung mit der überstarken Vaterfigur. Im zuletzt erschienenen, seiner Expressivität und Radikalität nach überraschend modern anmutenden Roman «Rebell» erlebt dieser Kampf in weitem zeitgeschichtlichem, auch das Problem des Nationalsozialismus einbeziehendem Kontext seinen Höhepunkt. Ausserhalb des Steckborner Zyklus erschienen unter anderem der Genfersee-Roman «Dorf am Rebhang» (1974), der Erzählband «Berliner Herbst» (1979) und die skeptische Bestandesaufnahme zu einem weltberühmten Schweizer Kurort, «Abschied in Zermatt» (1980). Otto Frei, der am 15.Juli 1990 in Bursinel starb, wurde als Autor, aber auch als Journalist mehrfach ausgezeichnet und setzte sich nicht nur als Journalist leidenschaftlich für die Überwindung des «Röstigrabens» zwischen der welschen und deutschen Schweiz ein, sondern engagierte sich auch, unter anderem mit der von ihm und Walter Oertli 1967 gegründeten Oertli-Stiftung, ganz persönlich für die Förderung und den Erhalt einer mehrsprachigen Schweizer Kultur.
Im Herbst 2013 kam in der Reihe «Reprinted by Huber» als Nr. 30 unter dem Titel «Bis sich Nacht in die Augen senkt» Freis gesamte Steckborner Pentalogie in einer Neuausgabe mit einer illustrierten Biographie des Autors aus der Feder von Charles Linsmayer heraus. LINK