In der inneren Emigration: Oskar Loerke (1884-1941)

«Die Menschen sind wie grober bunter Sand / Im linden Spiel der grossen Wellenhand» endet «Blauer Abend in Berlin», eines der geglücktesten expressionistischen Stadtgedichte, und wo, bitte, ist das Kriegsberlin von 1914/15 trister, trostloser präsent als in der Erzählung «Der Prinz und der Tiger» von 1916, wo der bucklige Setzer Hey und seine Jugendliebe Marta einsam nebeneinander verdämmern und «aus unbezwungener Liebe Jahre voll Elend auf sich häufen» ? Wider Erwarten ist der Autor, der am 13. März 1884 geborene Oskar Loerke, kein Junkie, sondern ein gut bürgerlicher Mensch gewesen. 1903 zum Studium nach Berlin gekommen, widmete er sich ab 1907, als sein Roman «Vineta» erschien, ganz der Literatur, erhielt für seine Gedichte 1913 den halben Kleist-Preis und trat, wegen Krankheit kriegsuntauglich, 1917 als Lektor in den S.Fischer-Verlag ein, um da u.a. Thomas Mann und Alfred Döblin zu betreuen. So dass sein Haus in Frohnau, wo er mit «Clärchen» Westphal lebte, bald schon zum geheimen Treffpunkt der literarischen Prominenz avancierte. Die Diskrepanz zwischen innen und aussen hielt der begnadete Lyriker, der in vollendeten Versen die Entweihung der Natur betrauerte und mit «Der Wald der Welt» und «Der Steinpfad» der überzeugendste Vertreter der inneren Emigration war, auch politisch beharrlich durch. «Was deine Welt nicht ist, / sollst Du verlassen / Was dir verächtlich ist, sollst du verachten. / Was du verachtest, hüte dich zu hassen», lautete - in «Pans Schlaf» von 1933 - seine Devise nach der Machtergreifung der Nazis, in denen er die «Totengräber Deutschlands» sah. Um seine Autoren zu schützen, unterschrieb er die Loyalitätserklärung, wusste aber nur zu gut, dass er dem Dilemma nicht lange gewachsen sein würde. Er trete «jedem entgegen, der behaupten wollte», er sei «an dieser oder jener Krankheit gestorben», stand im Testament, das man nach seinem Tod am 24.Februar 1941 fand, «weil eine jegliche Krankheit durch die feindlichen Handlungen und Anschauungen veranlasst worden ist in langen Jahren.»