«Alt Heidelberg, du feine!»: Josef Viktor von Scheffel (1826-1886)

Wer weiss auf Anhieb noch, was «Der Trompeter von Säckingen» ist? Es wird kaum mehr gelesen, das 1854 publizierte Versepos, das der gelangweilte schwäbische Jurist und Beamte Josef Viktor von Scheffel während einer Italienreise dichtete. Vom Trompeter Werner Kirchhof handelt es, der nach vielen Irrwegen in Rom das Glück mit dem Burgfräulein findet, das ihm als jungem Krieger aller Tapferkeit zum Trotz aus Standesgründen verweigert worden war. Was lebendig blieb, sind die eingestreuten Lieder - «Alt Heidelberg, du feine», «Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen» -, und auch sonst ist der vom Kaiser am 50.Geburtstag 1876 als grösster deutscher Dichter gefeierte Poet eher mit Studentenliedern wie «Als die Römer frech geworden» oder «Im schwarzen Walfisch zu Askalon» denn mit jenen literarischen Werken in Erinnerung geblieben, die schon Hermann Hesse als «Altdeutschelei» belächelte. Obwohl oder gerade weil sie bis 1918 unzählige Auflagen erlebten und auch das zweite, der gefühlsselige nationale Liebes- und Mönchsroman «Ekkehard» von 1855, ein über das Opus selbst hinausgehendes Denkmal fand. Der St.Galler Mönch Ekkehard, der als junger Mann auf die Burg Hohentwiel versetzt worden war und da tapfer gegen die Hunnen kämpfte, wird als Frevler verurteilt, als er sich von der heimlichen Passion zur Herzogswitwe Hadwig zu einer leidenschaftlichen Umarmung hinreissen lässt. Von Praxedis, Hadwigs Kammerfrau, gerettet, zieht er als Eremit in die Felsenklause «Wildkirchli» auf Ebenalp im Säntismassiv, wo er unter den Sennen als Musikant zu sich selber findet, das «Waltharilied» schreibt und so aus dem Steinzeit-Fundort einen von Touristen lange Zeit gern besuchten literarischen Pilgerort macht. Wobei die 1500 lateinischen Hexameter des (tatsächlich um 1000 in St.Gallen entstandenen) Epos «Waltharius manu fortis» ebenso von Vergils «Aeneis» abhängig sind wie «Der Trompeter von Säckingen», der den Satz «Ach, ich bin ein Epigone» enthält , von Heinrich Heines «Atta Troll» .