«Hoppla, wir leben!»: Ernst Toller (1. Dezember 1893 - 22. Mai 1939)

«Die Menschheit lechzt nach dem Diktator. Wohlan denn! Volk, Du findest mich bereit.» Die Komödie hiess «Der entfesselte Wotan», und Ernst Toller schrieb sie 1923 in der Festung Niederschönenfeld, wo der Aktivist der Münchner Räterepublik fünf Jahre Haft absass. Er schrieb trotz Schreibverbot nachts im Schein einer hereingeschmuggelten Kerze auf dem Boden unter dem Tisch, und er wusste selbst nicht, wie träf er in seinem entfesselten Wilhelm Wotan den entfesselten Kleinbürger Adolf Hitler vorausnahm. 1924 wurde das Stück in Moskau uraufgeführt, 1926 kam es es in Berlin heraus: mit einem Darsteller, der Hitler aufs Haar glich… Dass Ernst Toller 1933 zu den «verbrannten Dichtern» gehörte, versteht sich von selbst. Er war ja nicht nur Jude, sondern auch Sozialist, und in Stücken wie «Die Maschinenstürmer» oder «Masse Mensch» hatte er die soziale Not und die Ungerechtigkeit unerbittlich wie kein anderer an den Pranger gestellt. Er hatte 1933 eben die Erinnerungen «Eine Jugend in Deutschland» abgeschlossen und liess das Buch, das von der Kriegsbegeisterung von 1914 und von der Absage an das Judentum zu Gunsten eines deutschen Nationalismus handelt - aber auch vom revolutionären Aktivismus des Jahres 1918 und vom Gefängnisleben von 1919 bis 1924 - als eines der ersten im Amsterdamer Exil-Verlag Querido erscheinen. Toller wehrte sich weiter, kämpfte im spanischen Bürgerkrieg und verlor erst die Hoffnung, als Franco siegte und auch England und Frankreich zur Tagesordnung zurückkehrten. Ob im Schmerz über das Scheitern der Utopie, ob aus Enttäuschung über die Untreue seiner schönen jungen Frau, Christiane Grautoff: jedenfalls erhängte sich Ernst Toller am 22.Mai 1939 46jährig im New Yorker Hotel Mayflower mit dem Gürtel des Morgenmantels. Wie Karl Thomas, der Held seines Weimarer Zeitstücks «Hoppla, wir leben!», war auch er selbst wohl an seiner Epoche und an seinem hohen ethischen Anspruch zerbrochen.