«Die Versuche der Literatur, einschliesslich der littérature engagée, unsere Situation anhand fiktiver Modelle in den Griff zu bekommen, sind gescheitert», erklärte Wolfgang Hildesheimer im April 1975 in einer Dubliner Rede. Und zog auch selbst die Konsequenz daraus. Nicht, dass er nicht mehr geschrieben hätte – das tat er ab 1983, nachdem er sich in den «Mitteilungen an Max (Frisch)» auf launisch-satirische Weise von der Literatur verabschiedet hatte. Aber indem er in zwei brillanten Werken die Möglichkeiten der biographischen Darstellung in Frage stellte bzw. ad absurdum führte. Ersteres im «Mozart» von 1977, wo  die Fehlleistungen von 100 Jahren Hagiographie entlarvt werden und aus der Entzauberung des Mythos eine ganz neue Sicht auf Mozart möglich wird. Letzteres in «Marbot» (1981), der Biographie eines amerikanischen Kunstkritikers, der nie gelebt hat und der einzig im Mythos existiert, den Hildesheimer von ihm konstruierte.
Diese Erfolge liessen die Rolle, die der am 9.Dezember 1916 in Hamburg geborene Hildesheimer nach der Rückkehr aus Israel im Anschluss an seine Tätigkeit als Übersetzer beim Nürnberger Prozess für die deutsche Literatur gespielt hatte, ganz in den Hintergrund treten. In den «Lieblosen Legenden» (1952) und in vielen Hörspielen hatte er die deutsche Mentalität der Nachkriegszeit witzig-ironisch  persifliert. Dann war er als Dramatiker und Erzähler zum Vorreiter des absurden Theaters in Deutschland geworden und hatte in «Tynset» (1965)  und «Masante» (1973) mit wachsendem Pessimismus nach Mitteln und Wegen gesucht, Geschichte, insbesondere die von 1933 bis 1945,  anhand individueller Erinnerungen sprachlich fassbar zu machen.
Seit 1957 lebte Hildesheimer in Poschiavo, wo er nach dem Rückzug aus der Literatur  künstlerisch tätig war. Letztes Werk ist die Collage «Totentanz 1991», die er eben fertiggestellt hatte, als er am 21. August 1991 75jährig an einem plötzlichen Herzversagen starb.