Guido Looser 1935

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Guido Looser, sechsunddreissig, Zürcher Mittelschullehrer mit Kilchberger Wohnsitz, am 21.Juni 1928 dem Huber-Verlag seinen ersten Roman, Josuas Hingabe, nach Frauenfeld schickte, charakterisierte er das Werk folgendermassen: »Es behandelt das Todesmotiv im Leben eines Menschen von der Kindheit bis zur freiwilligen Selbsthingabe des Erwachsenen an die Natur. «
Der Roman, der noch im Winter 1928/29 herauskam, ist weitgehend autobiographisch bestimmt und gestaltet auf zurückhaltend-diskrete Weise das Schicksal eines Menschen an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn, Lebensfreude und depressiver Verzweiflung. Nach Klinikaufenthalt und Italienerlebnis findet Josua Bleiker zwar Trost und Befriedigung in der aufopfernden Hingabe an die Mitmenschen, endgültige Heilung bringt ihm aber erst der Tod, den er, berauscht vom wehmütigen Zauber eines Herbstnachmittags, in den Fluten des Zürichsees sucht.
Was in Josuas Hingabe erst am Rande virulent war, rückte 1934, im Künstlerroman Die Würde, auch thematisch in den Mittelpunkt: Loosers durch nichts aufzuhellender, zutiefst im persönlichen Erleben verwurzelter Kulturpessimismus. Was der moderne Künstler und Dichter auch schaffen mag - niemals erreicht er all das wieder, was die früheren Jahrhunderte und speziell Italien an Kostbarkeiten hinterlassen haben. Moderne Kunst im besten Sinne kann für Looser nur noch Nachglanz - so der Titel seines einzigen Gedichtbandes von 1924 - sein: demütiges, bescheidenes Epigonentum angesichts einer grossen, für die Nachgeborenen übermächtigen Vergangenheit.
So problematisch diese Kunstauffassung gerade im Zeitalter des fatalen Schlagworts von der »entarteten Kunst« auch war - in ihrem Geiste hat Guido Looser, sieht man von den zwei eher schwierigen Romanen einmal ab, eine ganze Reihe kleinerer Texte geschrieben, die in ihrer melancholischen Verhaltenheit und feinsinnigen Kultiviertheit schlicht meisterhaft sind - Reiseskizzen, Kunstbetrachtungen, Landschafts- und Naturbeschreibungen, knappe, persönlich gehaltene Stimmungsbilder.
Am eindringlichsten ist wohl der bereits 1927 entstandene Brief aus dem Zürichsee, eine poetische Hommage an jene Landschaft, der sich Looser ganz besonders verbunden fühlte und die für seine unstillbare Todessehnsucht wundervolle Bilder zu liefern vermochte.
Weniger poetisch erscheint einem dagegen die unbeschönigte Wahrheit seines vorzeitigen Endes. Der häufigen Absenzen wegen reichte nämlich Loosers Gehalt, von dem auch noch Mutter und Schwester leben mussten, eines Tages nicht mehr, um sich weiterhin die teure Binswanger-Klinik in Kreuzlingen leisten zu können. Die menschenunwürdige Behandlung aber, die ihm im Herbst 1937 im billigeren Oetwiler »Schlössli« widerfuhr, ertrug der sensible Literat nur gerade drei Monate. Dann erhängte er sich.
(Literaturszene Schweiz)

Looser, Guido

*Kappel (SG) 18.8.1892, †Oetwil (ZH) 15.11.1937, Schriftsteller. Der Zürcher Gymnasiallehrer mit Wohnsitz in Kilchberg wurde ab 1922 immer häufiger von depressiven Störungen heimgesucht, die Klinikaufenthalte in Kreuzlingen und Oetwil nötig machten, wo er sich zuletzt das Leben nahm. Die Themen Krankheit und Tod, Schwermut und Angst vor dem Wahnsinn prägen auch sein literar. Werk, das den Gedichtbd. »Nachglanz« (1922), den autobiograph. Roman »Josuas Hingabe« (1928) und den pessimist. Künstlerroman »Die Würde« (1934) umfasst. Der Plan des Verlegers Friedrich Witz, die z.T. meisterhaften, in vielen Zeitungen verstreuten Feuilletons zu sammeln, musste 1939 aus verlagstechn. Gründen fallengelassen werden und wurde erst 1998 im Band "Nur nie sagen, wohin man reist” von Charles Linsmayer realisiert. Der gewichtigste dieser Texte, der todestrunkene »Brief aus dem Zürichsee«, erschien in »Frühling der Gegenwart« (Erzählungen, Bd. 2, hg. von C. und Andrea Linsmayer, 1982/90). … Lit.: Kraft, M.: G.L., in: Neujahrsblatt der Gem. Kilchberg, 1972, Ch. Linsmayer: G.L., Nachwort zu G.L. "Nur niemandem sagen, wohin man reist”, Frauenfeld 1998. (Schweizer Lexikon)



Looser, Guido

* 18. 8. 1892 Kappel/Kt. St. Gallen, † 15. 11. 1937 Oetwil/Kt. Zürich. - Lyriker u. Erzähler.

Nach dem Besuch des Gymnasiums u. der Handelsschule in Zürich studierte L. 1912-1918 in Zürich u. Berlin Geschichte, dt. Literatur u. Geographie u. arbeitete dann an verschiedenen Zürcher Schulen als Gymnasiallehrer. Wiederholt zwangen ihn ab 1922 depressive Störungen zu Klinikaufenthalten in Kreuzlingen u. Oetwil, wo er schließlich, als er die Behandlungen nicht mehr finanzieren konnte, Selbstmord beging.
L. hatte schon als Schüler Verse geschrieben, trat aber erst 1925 im Rhein Verlag, Basel, mit dem Gedichtband Nachglanz erstmals an die Öffentlichkeit. Die wehmütige Verhaltenheit u. feinsinnige Kultiviertheit dieser Gedichte prägte auch den von einem intensiven Todesbewußtsein zeugenden, stark autobiograph. Roman Josuas Hingabe (Frauenfeld 1928). Die Würde (ebd. 1934) stellt das Schicksal eines zutiefst pessimistischen, vor der Größe der Vergangenheit kapitulierenden zeitgenöss. Künstlers dar. Sein Bestes gab L. wohl in kleineren essayistischen Arbeiten - Reiseskizzen, Kunstbetrachtungen, Stimmungsbilder-, die in vielen Zeitschriften u. Zeitungen verstreut erschienen.

LITERATUR: Martin Kraft: G. L. In: Neujahrblatt der Gemeinde Kilchberg. Kilchberg bei Zürich 1972. - Charles Linsmayer: G. L. In: Literaturszene Schweiz. Zürich 1989, S. 194 f.
(Bertelsmann Literaturlexikon)